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Über die Angst

Darf man angesichts des letzten Terroranschlages in Frankreich wirklich zugeben, dass man Angst hat? Oder sollte man es einfach runterschlucken? Keine Ahnung, ich hab ja noch nie getan, was man darf, also sage ich es: Ich habe Angst.

Aber nicht davor, dass mich ein Terroranschlag einiger einzelner kaltblütiger Killer ohne jegliches Gewissen trifft. Ich bin in den 70ern und 80ern der alten Bundesrepublik groß geworden. Wir hatten nicht nur den Kalten Krieg als reale Bedrohung, wir hatten die RAF und die war genauso eine Gefahr wie jetzt die ISIS oder radikalisierte Islamisten. Nein, das macht mich nur unglaublich wütend und zornig, dass sie es wagen im Namen eines Gottes zu morden, dessen Namen sie damit mehr schänden als jede Karikatur es könnte.

Nein, Angst machen mir die Reaktionen, die da kommen werden. Dass sich die rechten Kräfte dieser Welt wieder aufs Weiße-Herrenross setzen und ihr schwarz-weißes Denken nicht nur rechtfertigen sondern durchsetzen wollen.

Dass meine Kinder nicht mehr in einer Welt aufwachsen können, die offen für alles ist, was die Menschheit zu bieten hat. Dass ihre Welt auf die Werte eingeschränkt wird, die AfD und Pegida für abendländisch christlich halten. Sollten sie dagegen aufbegehren, werden sie in ernsthafte Schwierigkeiten kommen.

Dass meine Religion durch die immer wieder genannten „christlichen Werte des Abendlandes“ in den Dreck gezogen wird von Menschen, die zu einem guten Teil noch nicht mal getauft sind, sich aber anmaßen sie „zu verteidigen“. Sie dabei aber leider fehlinterpretieren, weil das gerade so schön praktisch ist. Womit sie sich immer ein Stückchen mehr den Schlächtern von Paris annähern.

Aber am meisten habe ich vor der Masse Angst. Menschenmassen brauchen nur ein oder zwei rhetorisch gut geschulte Führer, die so geschickt aufputschen können, dass eine Masse zum unkontrollierten Mob wird. Leider wird es so, dass die Pegida-Anhänger jetzt nicht weniger werden, weil deren Einpeitscher ja nun nicht doof sind und schamlos mit den Ängsten derjenigen Menschen spielen werden, die eben nicht an harten Fakten sondern eher an Emotionen interessiert sind und von Letzteren leiten lassen.

Ich habe Angst, dass mein Leben noch mehr überwacht wird. Dass jetzt die langfristige Vorratsdatenspeicherung durch ist. Alles unter dem Deckmantel unserer Sicherheit – in einer Welt, die meßbar wesentlich sicherer ist als noch in den 80er Jahren.

Ich habe Angst, dass zuviele Menschen Angst haben. Dass sie keine offenen Konfrontationen mehr eingehen, weil sie die Konsequenzen fürchten, wenn sie sich offen gegen Pegida und AfD stellen.

Aber ich weiss auch, dass Angst lähmt. Angst macht stumm und denjenigen ein leichtes Spiel, die diese für ihre Zwecke ausnutzen. Genau deswegen ist es so wichtig, ganz klar Nein zu Terror und zu Fremdenhass zu sagen. Denn die beiden bedingen einander vielleicht nicht – sie begünstigen sich aber sehr. Je mehr wir beides entlarven und je mehr wir gegen beides aufstehen, desto größer ist unsere Chance, Pest und Cholera im Zaum zu halten. Da glaube ich ganz fest dran.

Deswegen werde ich meine Angst runterschlucken und gegen Terrorismus *und* Fremdenhass in diesem Land Flagge zeigen. Denn das hier ist mein Land. Und in meinem Land hat weder Terror noch Fremdenfeindlichkeit Platz.

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28 Gedanken zu “Über die Angst

  1. rantanplan schreibt:

    Kann ich voll und ganz nachvollziehen, mir geht es auch so. Ich kann mich noch ganz grob an die Geschehnisse Anfang der 90er erinnern. Eine meiner frühesten Erinnerung ist, dass ich mit meinen Eltern auf einer Demo gegen Rechts mitlief, weil diese genau die gleiche Angst hatten, wie wir sie heute haben.
    Zufälligerweise gehöre ich zu keiner der bekannteren Minderheiten und kann deshalb nur erahnen, wie man sich momentan als Muslim in diesem Land fühlen muss.
    Von daher mein Wunsch an alle die Possums Text zustimmen: Geht raus auf die Straße wenn ihr könnt. Stellt euch gegen diese Menschen, die sich nur durch ihre Ablehnung und ihren Hass auf Minderheiten definieren und zeigt ihnen wer hier das Volk ist. Gerade nach den Ereignissen in Paris ist es wichtig zu zeigen, dass diese Menschen nicht die Stimme der Vernunft, sondern lediglich die Stimme der Einfältigkeit sind.

  2. Ich habe den Artikel als „das Beste des Tages zum Thema“ auf FB bei Freunden verteilt und dort verbreitet er sich der Link gerade rasant. Glückwunsch, du hast mit klaren Worten genau das ausgesprochen, was viele Menschen denken!

  3. Vielen Dank für diesen Beitrag und das hier ist meine größte Angst:

    Ich habe Angst, dass zuviele Menschen Angst haben. Dass sie keine offenen Konfrontationen mehr eingehen, weil sie die Konsequenzen fürchten, wenn sie sich offen gegen Pegida und AfD stellen.

    Xeniana

  4. quizzymuc schreibt:

    Ein ausgezeichneter Beitrag zu dem Thema, das mich sehr bewegt – vielen Dank dafür, meine Gedanken in so guten Worten zusammenzufassen!

  5. Gut und wahr gesprochen.
    Ich hatte meine Kindheit / Jugend ebenso in den 60ern/70ern und wir sind mit RAF und Co aufgewachsen.

  6. Das sind Worte, die direkt ins Herz gehen! Danke dafür!
    Ich weiß nicht, ob unpassend, aber ich möchte auf die Petition von Avaaz gegen Pegida und für Vielfalt und Toleranz aufmerksam machen. Ein kleines Zeichen, dass jede/r sofort setzen kann!
    LG Zora

  7. Helga Ö. schreibt:

    Komisch, hat Pediga oder die AfD den Anschlag verübt, oder waren es Moslems die wieder mal im Namen Allahs ein paar Westler abgeschlachtet haben?

    Bei deiner Phobie könnte man meinen das die Pedigas die TAZ gestürmt hätten. Nur weiter so! Immer schön unterwerfen wie es der Islam fordert!

  8. Andrea Stock schreibt:

    Danke für Deine guten und richtigen Worte! Nur so kann es gehen.

    Liebe Grüße

    Andrea

  9. rantanplan schreibt:

    Es besteht keinerlei Gefahr, dass mehr als nur ein paar Verwirrte islamistischen Terror in diesem Land gutheißen werden.
    Bei den Ressentiments gegen Menschen muslimischen Glaubens sieht das leider vollkommen anders aus.
    Ich sehe zumindest keine Maßendemonstrationen, die Salafisten oder Islamisten unterstützen. Was ich aber sehe sind Demonstrationen, welche eine Stimmung schaffen die wir hier schon in den 90ern hatten und die zu fürchterlichen Anschlägen und nicht zuletzt auch zu den NSU Morden geführt haben.
    Aber selbst wenn es nicht so weit kommt, möchte ich nicht, dass Menschen in diesem Land auf Grund ihres Glaubens ausgegrenzt oder verfolgt werden.
    Unter den Menschen, die da „abgeschlachtet“ wurden war übrigens auch mindestens ein Muslim.
    Aber mal ganz konkret, was ist denn die Lösung von Pegida für das Problem des islamistischen Terrors, wie unterwirft man sich nicht ohne gleich alle hier lebenden friedlichen Muslime in Sippenhaft zu nehmen? Ich bin auf deine Antwort gespannt.

  10. Helga Ö. schreibt:

    @rantanplan
    Genauso wie die Amerikaner für den Vietnamkrieg und Irakkrieg in „Sippenhaft“ genommen werden, egal ob sie dagegen in Washington demonstriert haben oder nicht, finde ich das sich ein Moslem nicht so sehr darüber aufregen darf, wenn er versehentlich in Europa/Deutschland/USA in Sippenhaft genommen wird.
    Aber ich glaube das die Mehrheit der Moslems dafür ist, das man die Leute hart bestraft die ihren Propheten verspotten. Genauso wie sie zu Millionen auf die Straße gegangen sind, weil eine dänische Zeitung harmlose Karikaturen veröffentlicht hat.

    Ich als „Westler“ werde auch für die Taten des Westens/USA/NATO/etc. nicht nur von Moslems in Sippenhaft genommen, mein Name ist schließlich nicht Todenhöfer.

    Die Lösung kann nur eine sein, Pediga hat das Recht ihre Meinung öffentlich zu äußern, genauso wie Charlie Hebdo das Recht hat den Papst, den Mondgott oder den Propheten zu verspotten, und Possum natürlich das Recht hat gegen Pediga zu protestieren.

    Ich finde es nur ziemlich unangemessen 12 (17) ermordete Tote, in einem Topf mit Demonstranten zu werfen, die genau vor diesem Gewaltpotential das im Islam steckt, warnen.

    Lösung kann es nur dann geben wenn Ross und Reiter, hier der Islam mit den dazugehörigen „Gläubigen“ genannt werden, und nicht immer um das Problem herumgeschafelt wird.

    Wäre ich Moslem wäre würde ich es ganz besonders infam finden wenn mir Leute erklären das ich so unbeherrscht bin, daß mich ein paar Demonstranten so ausrasten lassen, das ich zum Terroristen werde.

  11. daspossum schreibt:

    Und genau aus dem Grunde der Meinungsfreiheit habe ich diesen und den vorherigen Artikel freigeschaltet. Eben weil ich der Meinung bin, dass es falsch ist, Meinungen zu unterdrücken. Daher werde ich mein Schärflein dazu beitragen. Auch, wenn ebenjene Pegida mit Worten wie „Lügenpresse“, dessen Ursprung im Dritten Reich liegt, eben mehr als nur andeutet, dass sie der Meinung ist, dass Pressefreiheit vielleicht doch nicht ein so hohes Gut ist. Aber damit muss ich dann eben leben.

  12. Helga Ö. schreibt:

    @daspossum
    Ich muß zugeben, mein erster Kommentar war auf „Krawall“ gebürstet, ich wollte nur sehen wie streng Du das Hausrecht auslegst Dir unangenehme Kommentare nicht zu veröffentlichen.
    Mir waren das einfach zuviel Zustimmung für ein politisches Thema!

    Lügenpresse/Systempresse etc. sind natürlich geschichtlich schwer belastete Wörter die die Alarmglocken läuten lassen. Ich glaube aber trotzdem nicht, daß sich ein Terroranschlag verhindern läßt, wenn man ihn relativiert, denn schließlich gibt es da noch die total bösen (Nazi)Demonstranten und den Rassismus gegen Moslems, keine Willkommenskultur etc. …

  13. rantanplan schreibt:

    @HelgaÖ:
    * Nur weil angeblich Amerikaner für den Vietnamkrieg und Sie für die „Taten des Westens“ in Sippenhaft genommen werden ist das vernünftig und sollte auch bei anderen Gruppen angewandt werden? Das ist der gleiche Fehler wie bei dem „In muslimischen Ländern dürfen auch keine Kirchen gebaut werden, also sollten wir hier Moscheen verbieten“-Argument.
    Sippenhaft ist bei den obrigen Fällen falsch und er ist auch im Fall des islamistischen Terrors falsch. Vor allem, da ich als Wähler ja noch theoretisch eine Chance habe Einfluss auf die Politik meines Landes zu nehmen. Welche Chance hat ein Muslim in Deutschland irgendwelche durchgeknallten Terroristen davon abzuhalten in seinem Namen zu morden?

    * Ich kann doch die Karikaturen für geschmacklos halten, diese Meinung mit anderen Menschen auf der Straße zum Ausdruck bringen und trotzdem dafür sein, dass auch der Karikaturist sein Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen kann,oder?
    Ich bin ja auch in der Lage Pegida zu ertragen und bin sogar dafür, dass die Polizei diese Demos schützt, obwohl sie mich anwidern.
    Ich weiß auch gar nicht, wieso du das Thema hier aufbringst, ich kann wirklich nirgendwo erkennen, dass die Meinungsfreiheit der Pegida Menschen in diesem Land in Gefahr wäre.

    * Weder Possum noch ich haben hier die Pegida Demonstrationen in einen Topf mit islamistischem Terror geworfen.

    * Mir ist immer noch nicht klar, was Pegida jetzt will um den islamistischen Terror zu verhindern. Was bedeutet denn Ross und Reiter nennen in diesem Zusammenhang? Die Äußerungen der Muslime in Deutschland in den letzten Tagen haben doch wirklich an Eindeutigkeit wenig vermissen lassen.

    * Zu deinem letzten Satz: Ich würde Pegida niemals vorwerfen, dass sie die Ursache für islamistische Anschläge sind. Ich werfe ihnen vor, dass sie durch pauschale und unreflektierte Stimmungsmache gegen einzelne gesellschaftliche Gruppen den Nährboden für rechten Terror und rechte Gewalt schaffen.
    Wenn man sich anguckt mit wem sie laufen, gerade im Westen, ist das wirklich nicht weit hergeholt.

  14. Am 18.2.2014 gab es hier einen Artikel (Das Leben ist kein Ponyhof), in dem es heißt, es hätte »diverse Vorfälle gegeben«. Leider bleibt der Text in Stil von Harry Potter sehr nebulös.

    Wissen Sie, wenn man schon im eigenen Dorf nicht Klartext reden kann, dann sollte man lieber nicht die Welt retten wollen.

    »Womit sie sich immer ein Stückchen mehr den Schlächtern von Paris annähern.« /* no comment */

  15. daspossum schreibt:

    Du hast recht, ich bevorzuge auch Klartext – nur sollte man auch sicher sein, dass es auch Fakten sind, auf die man sich bezieht und nicht nur Vermutungen. Die vorliegenden Fälle waren vier Übergriffe auf Kinder – jedenfalls augenscheinlich. Waren es dann, aber doch nicht, bis auf einen klärten sie sich als nicht existent bzw. sehr undramatisch, wenn auch nicht wirklich nett, auf. Udn bei dem einen weiß man nicht wirklich, was passierte.

    Nun ist klar, wenn sowas erstmal kursiert, dann passt man ganz anders auf seine Kinder auf und ist hochsensibilisiert. Aber es ist ein Unterschied es sich „nebulös“ von der Seele zu schreiben (übrigens fühle ich mich unglaublich geehrt, auch nur in die Nähe eine J.K.Rowling gerückt zu werden) als gleich Zeter und Mordio zu schreiben und „das Schwein“ hängen zu wollen, wie es damals durch die dorfeigenen Kanäle ging.

    Fakten, lieber Jack, Fakten sind das, woran ich mich halte, wenn ich direkt angreife. Beleidigungen aufgrund von Lügen und Mutmaßungen gehören nicht dazu. Dann bleibe ich lieber vage.

  16. Rolly schreibt:

    Danke für deine klaren Worte, die wie so oft ans Herz gehen. Beim Lesen fiel mir spontan einer deiner Texte ein, in denen du ebenfalls deine Ängste und die sich daraus ergebenden Konsequenzen geschildert hast: https://possumswelt.wordpress.com/2011/07/24/gedanken-die-einen-nicht-los-lassen/
    Damals ging glaube ich niemand auf die Strasse, um gegen die „Christianisierung des Abendlandes“ zu demonstrieren. Warum auch, das war doch nur ein verwirrter Einzeltäter, oder? Aber sind denn die Mörder von Paris, die Wahnsinnigen der IS anders? Weil sie sich in Gruppen zusammengeschlossen haben? Das sind die Verrückten, die sich aufgrund ihrer Auslegung der Bibel das Recht heraus nehmen, in den USA vor Abtreibungskliniken Menschen zu erschiessen auch.
    Wie du geschrieben hast, der Terror hat seit den 70ern, in denen auch ich aufgewachsen bin, keine neue Qualität bekommen. Im Gegenteil, gerade unser Teil der Welt ist sicherer geworden. Ein Grund mehr, sich nicht der Angst zu beugen. Ich wünsche dir weiter viel Erfolg und werde selbst mein bestes tun, auch wenn das möglicherweise nicht genug ist.

    viele Grüße, Christian

  17. Tilman Nagel: ›Angst vor Allah‹. Sehr zu empfehlen. Ich könnte noch andere Bücher vorschlagen, aber mit diesem sollte man immer anfangen.

  18. daspossum schreibt:

    Ich weiß nicht, ob der Meister vom Stuhle einer Freimaurerloge jetzt unbedingt eine wirklich objektive Quelle für ein Sachbuch ist. Übrigens hast Du ein Fragezeichen vergessen. Der Titel des Buches ist immerhin als Frage und nicht als Aussagesatz formuliert, soviel Zeit muss sein.
    Demgegenüber möchte ich ein Buch stellen, das ich noch hier liegen habe, aber noch keine Einschätzung habe, wie es ist. Es ist von Werner Ruf „Der Islam – Schrecken des Abendlands: Wie sich der Westen sein Feindbild konstruiert“ Wie gesagt, ich kann noch nicht sagen, wie es ist, aber der Ausgewogenheit wegen, werfe ich das mal ebenfalls ins Blog. Grundsätzlich glaube ich jedoch, dass es moentan ja eigentlich um ganz unterschiedliche Dinge geht. Das eine ist Terror jeglicher Facon, den kein normaldenkender Mensch für gut, richtig oder angemessen sehen kann, egal welche Legitimation dieser sich selbst gibt. In dem Punkt sind wir uns, denke ich mal, einig. Das andere jedoch sind die Konsequenzen, die praktischen wie auch ideolgischen, die aus diesem Terror gezogen werden. Und da sind wir Welten voneinander entfernt.

  19. daspossum schreibt:

    Danke, ich war heute schon da in der Nähe. Zwei Mal in zwei Tagen muss ich die Tour nicht machen 🙂

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