Seit Wochen trage ich nun schon einen Artikel über Ernährung mit mir rum. Verwerfe alles, entwerfe neu. Schmeiß wieder alles weg, schreibe was anderes.
Warum zum Teufel ist das so schwer? Weil ich Angst habe, mich mit veganen Freunden anzulegen? Dass mich fleischessende Freunde als „Eine von denen“ abschreiben? Nein, wer mich kennt, der weiß, dass ich bisher noch jeden Fettnapf mitgenommen habe.
Aber vorhin beim Vorbereiten und Marinieren unseres Essens sind mir zwei mögliche Gründe (und da steht mögliche…das bedeutet so ungefähr das Gegenteil von in Stein gemeißelt), warum es mir so schwer fällt.
1. Die „richtige“ Ernährungsform hat jegliche vernünftige Grundlage verlassen und sich in Richtung Religion entwickelt. Es gibt mehr „Atheisten“ und „Nicht-Gläubige“ als je zuvor in der neueren Geschichte der Menschheit. Nun aber zu denken, dass alle diese Menschen plötzlich total rational ihr Leben leben ist natürlich ein Irrtum, das kann nicht gehen. Somit ist ein Vakuum entstanden und dieses trachtet der Mensch als solches zu füllen. Was natürlich nicht bedeutet, dass ein gläubiger Mensch nicht auch die Ernährung als etwas bewertet, was es nicht hergibt. Man kann auch Flöhe und Läuse haben.
Das macht es aber nicht automatisch richtig. Denn obwohl es soviele unterschiedliche Ernährungsformen und -richtungen gibt (und alle irgendwie überleben) sind wir alle der Meinung, wir würden uns richtig und gesund ernähren. Beweisen können wir das leider nicht – ausser, dass es einem selbst so viel besser geht, seitdem man Weizen/Vollkorn/Fleisch/Tofu weglässt. Dieses Jahr hat durch alle Ernährungsformen hinweg ein Großteil meiner Freunde und Bekannten (uns eingeschlossen) diesen widerlichen Virus erwischt, der uns von den Füßen geholt hat. Der hat weder vor Veganern, Vegetariern, Steinzeitdietisten, Normalessern, Fastfoodlern oder irgendjemand anderem aufgrund einer bestimmten Ernährung halt gemacht. Von Erkrankungen wie Krebs rede ich da erst gar nicht. Das ist unter anderem so, weil Grund Zwei zum Tragen kommt, nämlich, dass
2. kein Mensch weiß, was denn richtig ist. Denn wenn irgendeine Theorie sich als richtig erwiesen hat, dann dauert es nicht so lange, bis sie wieder vom Tisch ist.
Ich bin beispielsweise mit dem Satz aufgewachsen, bloß nicht zuviel Eier zu essen, weil ich sonst den plötzlichen Herztod sterben werde. Meine Großeltern haben Butter, Butter sein gelassen und panisch zur guten cholesterinarmen Margarine gegriffen, weil Cholesterin das personifizierte Böse war und der Grund, warum wir alle an Herzinfarkt sterben werden.
Mittlerweile wissen wir nicht nur, dass es gutes und böses Cholesterin gibt, sondern dass der Cholesterinspiegel nicht signifikant was mit Herzinfarkten zu tun hat. Ups.
Dann hieß es, die Menschen im Mittelmeerraum sterben weniger häufig einen Herz-Kreislauf-Krankeitsbedingten Tod als wir Mitteleuropäer. Ok. Warum uns dann erklärt wird, wir sollten Vollkornprodukte essen, die in diesen Ländern so gar nicht vorkommen, konnte mir bisher leider niemand erläutern. Und warum es in der ach so leichten spanischen und italienschen Küche ordentlich deftige Gerichte mit sehr viel zerkochtem Gemüse, rotem Fleisch und noch mehr Fett gibt auch nicht.
Als ich älter wurde, gab es dann die BMI-Werte, an denen sklavisch festgemacht wurde, ab wann jemand zu dick oder zu dünn und damit im Mittel an sich gesund ist. Dumm nur, dass man jetzt herausgefunden hat, dass die Menschen mit der höchsten Lebenserwartung einen leicht erhöhten BMI-Wert haben. Hmpf.
Man kann sich noch nicht mal mehr auf irgendwelche Studien verlassen, die besagen, dass Salz das personifizierte Böse ist. Auch das ist widerlegt. Das ist ja mal blöde.
Also, nicht blöde für die Menschen und auch nicht blöde als solches, sondern es zeigt ganz deutlich, dass das, was heute richtig ist, morgen erwiesenermaßen falsch sein kann. Ob der Anstieg von Darmkrebs jetzt dem zunehmenden Veganismus oder dem steigenden Konsum von rotem Fleisch zuzuordnen ist – wir werden es in 10 Jahren bestimmt wissen.
Nur leider hilft das jetzt nicht. Jetzt können wir nur dass tun, was wir für uns als richtig erachten. Für mich ist das eine gesunde Mischkost, die sich an der Ernährungspyramide orientiert mit möglichst frischen, möglichst natürlich produzierten, das bedeutet nicht industriell verarbeiteten Produkten, egal konventionell oder bio-bearbeitet, zusammensetzt. Ich hoffe, dass das Vermeiden von Glutamaten, Konservierungs-, Verdickungs- und ähnlichen Stoffen mich und meine Familie vor den über eine Grippe hinausgehenden Krankheiten schützt.
Aber das ist nur meine Entscheidung, die ich maximal noch mit meiner Familie so diskutiere, wenn wir etwas daran ändern wollen. Ich möchte weder von Veganern belehrt noch von JunkFood-Essern belächelt werden. Ich bin des Lesens mächtig und kann Euch zu jeder Studie die jeweilige Gegenstudie zeigen. Ich verlasse mich auf das, was ich durch permanentes Weiterbilden glaube. Ob es richtig ist – dass weiß ich so wenig wie irgendein anderer. Aber selbst wenn ich es wüßte, ich würde es niemandem ungefragt aufzwingen.
Jeder ist seines eigenen Glückes und seiner eigenen Gesundheit Schmied – wenn mir wieder irgendjemand irgendwelche von radikalen Tierschutzorganisationen aufgenommenen, totaaaaaaal authentischen Gruselbilder von kleinen Kücken schickt, werd ich ihm genauso die Freundschaft kündigen wie demjenigen, der mir mein Postfach irgendwelche Studien zumüllt, die angeblic belegen, dass alle Vegetarierer dieser Welt den Tod der zivilisierten Mangelernährung sterben werden.
So, nachdem ich das jetzt endlich aus dem Kopf und im Blog habe, gehe ich zu Frau Lostinabadbook frühstücken. Mit Weizenbrötchen und Schinken und Obst und selbstgemachter Marmelade und einem Glas Prosecco. Weil letzteres nämlich erwiesenermassen gut für den Kreislauf ist. Haben ganz viele Studien belegt.