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Gedanken zur Bannmeile

Ich bin heute morgen im Gesichtsbuch von sehr lieben Bekannten auf die Petition „Für ein Verbot fremdenfeindlicher Demos unmittelbar vor Flüchtlingsheimen“ aufmerksam gemacht worden, mit der Bitte doch dort zu unterschreiben.  Und obschon ich gar nicht soviel essen kann, wie ich kotzen möchte, wenn ich sehe was fehlgeleitete, bildungsresistente Faschos unter dem Deckmäntelchen des besorgten Bürgers vor Flüchtlingsheimen alles so anrichten, habe ich mich dagegen entschieden.

Denn die Versammlungsfreiheit ist und bleibt ein Grundrecht, ob uns das nun gefällt oder nicht. Jede Ausnahme von diesem Grundrecht ist eine Schwächung desselben. Dazu gehört beispielsweise die Bannmeile, dazu gehört auch das angesprochene Versammlungsverbot vor Wowereits Haus. Das Allerletzte was wir aber im Moment brauchen ist eine Schwächung der Grundfeste, auf die sich unser Staat aufbaut. Wenn jetzt vermehrt darauf geachtet werden darf, wer wann wo weshalb demonstrieren darf, dann feuert das ganz schnell gegen die Versammlungsfreiheit als solches und schwupps wird es – hassenichgesehn – noch mehr eingeschränkt, was uns wiederum schwächen wird.

Dabei müssen wir jetzt stark sein gegen das, was eine Minderheit mit Menschen tut, die unseren Schutz suchen. Wir müssen stark sein, damit die schweigende Masse, die sich mit „Ist schon nicht richtig, so ein Heim anzuzünden, aber…“ äußert, sich nicht in den „Argumenten“ der geistigen und tatsächlichen Brandstifter verkeilt. Wir müssen stark sein für uns, damit klar wird, dass wir nicht diejenigen sind, die Grundrechte einschränken und damit Öl in deren Feuer gießen – Stichwort „Es kann doch nicht sein, dass einem im eigenen Land verboten wird, seine Meinung zu sagen, wo man will. Soweit sind wir schon gekommen!“ Genau deswegen halte ich diese Petition für kontraproduktiv, wenn man mal da große Ganze sieht.

Was also tun? Nichts? Mitnichten. Wann immer eine Demo geplant ist, hin zur Gegendemo – als damals bei uns die Braunen versucht haben, uns dumme Dörfler davon zu überzeugen, dass der Dorfuntergang droht, wenn „die Asylanten erst mal da sind“, waren wir einfach schon eher vor Ort und haben uns genau vor das nämliche, damals noch unbewohnte Haus gestellt, so dass sie erst gar keine Chance hatten, direkt dorthin zu gelangen. Würde das Versammlungsrecht eingeschränkt werden, hätten wir diese Möglichkeit auch nicht gehabt.

Nun ist der Punkt der Traumatisierung nicht von der Hand zuweisen und ja, auch mir dreht sich der Magen um, wenn ein siebenjähriges Kind, dass soeben durch die Hölle gegangen ist, sich jetzt auch noch einen skandierenden Mob vor der Haustüre anhören muss. Aber wie in sovielem in diesem unserem Lande brauchen wir nicht mehr Verbote und Gesetze – wir haben sie bereits, sie müssen nur angewendet werden. Beispielsweise gilt immer noch ein Vermummungsverbot, es wird nur nicht durchgeführt. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass ein Gutteil der Demostranten ihr Gesicht eher nicht zeigen möchten. Wenn die Polizei nun Anweisungen erhalten würde, jeden der gegen das Vermummungsverbot verstößt aus der Masse zu holen, erstmal die Personalien aufzunehmen und dabei nicht unbedingt die Schnelligkeit vor dem Herrn walten zu lassen, dann wäre der Demozug schon mal um ein Drittel geschwächt.

Es gilt im übrigen auch ein Recht am am eigenen Bild sowie ein Kunsturhebergesetz – ich weiß, ich bin von einigen Herren in Braun fotographiert worden bei diversen Demos und ich habe den Verdacht, dass sie das nicht getan haben, um mich als intellektuelles Vorbild in ihren Spint zu hängen. Soweit ich weiss, ist das Fotographieren der Demo-Gegner gängige Praxis und lt. Gesetz verboten. Auch hier wäre eine weitere Möglichkeit, diese Personen aus der Demo zu entfernen, Personalien festzustellen und erst mal zu schauen, ob sie schon mal wegen eines ähnlichen Deliktes straffällig geworden sind. Sowas dauert mindestens so lange wie eine mittelere deutsche Demonstration.

Und dann wäre da natürlich noch das Gesetz gegen Volksverhetzung. Streng genommen sind mindestens 85% der geschrienen Parolen des Mobs Beschimpfung, Verächtlichmachung und/oder Verleumnung einer bestimmten Gruppe. Damit wäre dann wohl der Rest der Truppe in vorläufigem polizeilichen Gewahrsam und die Gerichte hätten ordentlich zu tun.

Womit wir zu dem Grund kommen, warum mein Ansatz durchaus rechtlich machbar, aber praktisch kaum durchführbar ist. Es fehlen Polizisten, Sachbearbeiter sowie juristisches Personal um diese Vergehen so aufzunehmen und zu bestrafen wie es sich gehört, denn das kostet richtig Geld. Da ist es natürlich einfacher und billiger, mal eben das Grundgesetz einzuschränken. Von daher kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Petition zumindest erstmal Gehör findet. Außerdem weiss man ja nie, wofür man solch eine praktische Einschränkung noch mal  brauchen kann, denn wenn es einmal da steht, wird es mit Sicherheit nicht wieder aufgehoben.

Ich sage nicht, dass die strengere Auslegen der Gesetze das Allheilmittel ist. Das gibt es nicht.  Aber wir brauchen ein starkes, nicht verwässertes Grundgesetz, das uns den Rahmen gibt damit wir Zivilcourage zeigen können. Denn irgendetwas sagt mir, dass wir die in nächster Zeit noch oft brauchen werden.

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3 Gedanken zu “Gedanken zur Bannmeile

  1. was Leute die sowas fordern im Zweifelsfall vergessen:
    Direkt von der Demo her gehen auch nicht die Nazi-Spinner am Lager vorbei und zünden dieses an. Für den Ablauf der Demo ist jemand verantwortlich und darauf bedacht dass das nicht zu sehr aus dem Ruder läuft. Im Zweifelsfall jemand den die Teilnehmer mögen.

    Auch dieses mal gingen die Unruhen an einem Nebenschauplatz los. Die Nazis zogen erst einzeln, dann immer massiver von der Demo zu einem Einzelhändler-Parkplatz in der Nähe und fingen von dort aus dann mit dem Randalieren an.

    Wenn man also Demos weiter weg schiebt, bewegt man nur die „gemäßigten“ Elemente und die Aufpasser (also Polizei im Idealfall) weiter weg. Ein randalierender Mob kümmert sich im Normalfall nicht um solche Details.

  2. Heiner schreibt:

    Ich habe diesen Artikel gelesen, dann tief Luft geholt und dann, so ganz für mich, ja dazu gesagt. Danke dafür.

  3. Eine klare Aussage. Und eine absolut Richtige. So sehr das Ansinnen auf den ersten Blick Sinn zu machen scheint, so sehr ist die Gefahr eines Flächenbrandes darin enthalten. Fangen wir an, die Grundrechte einzuschränken, die Gesetze zu ändern, öffnen wir Begehrlichkeiten in dieser Richtung Tor und Tür. Und wen solche Änderungen letztendlich alles treffen könnten, vermögen wir garnicht abzusehen. Es gibt andere, vorhandene Rechtsmittel um des randalierenden Mobs Herr zu werden.

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