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#Regretting Motherhood

Es gibt ja Themen, um die schleicht man sehr, sehr lange rum. Weil man Angst hat, was Falsches zu sagen. Weil sie verflucht komplex sind. Weil es schwierig ist, sich zu positionieren. Weil es einen zu sehr aufwühlt. Oder es kein „Richtig“ und kein „Falsch“ gibt.

Für mich gehört im Moment das Thema „Regretting Motherhood“, also das Bereuen der Mutterschaft, dazu. Die Emotionen kochen hoch, jeder hat eine Meinung dazu. Ich gebe zu, meine ist nicht so weltoffen, tolerant und nett wie sie sein sollte.

Nein, ich bin nicht der Meinung, diese Frauen sind alles Memmen und das Ganze ist ein Wohlstandsluxusproblem. Obwohl ich gerne zugeben möchte, dass ich einige Zeitgenossinnen gesehen haben, die sehr, sehr blauäugig in die Mutterschaft gegangen sind, sich genau gar keinem Realitätscheck unterzogen haben und sich dann wundern, dass das mit der Karriere und den Kindern nicht ganz so leicht ist, wie uns einige Leute mit genügend Ressourcen und einem lediglich rudimentären Schlafbedarf weiß machen wollen.

Ja, ich bin der Meinung, dass man auch dieses Thema durchaus enttabuisieren darf und sollte, gerne so wie weiland da der Wochenbettdepression, wo es eine Menge gebracht hat. Aber im Gegensatz dazu hat „Regretting Motherhood“ ein großes Problem: In dem Moment, wo man dieses Problem direkt thematisiert, egal wie sanft und sachlich man es auch versuchen, kratzt man im besten Fall an der Seele eines unschuldigen Menschen. Im schlechtesten Fall zerstört man sie.

Denn Kinder haben/hatten keine Wahl. Niemand hat sie gefragt, ob sie zur Welt kommen wollen. Sie werden durch die Entscheidung der Erwachsenen auf diese Welt gebracht und sind nun wirklich die Allerletzten, die etwas dafür können, dass sie nicht so sind, wie Papa und Mama sich das vorgestellt haben. Dummerweise sind sie die ersten, die darunter leiden.

Denn es ist illusorisch zu glauben, dass ein Mensch es nicht merkt, dass ein Elternteil eigentlich an einem ganz anderen Punkt im Leben sein will. Nur Liebe hilft da nicht. Eine Eltern-Kind-Beziehung ist immer Arbeit, die einem mal mehr mal weniger leicht von der Hand geht und wenn man den Job als solches nicht mag, dann wird man auch eher nicht gut drin sein.

Das wird natürlich nicht besser, wenn man alles in sich reinfrißt oder den Shitstorm der Gesellschaft auf sich lädt. Ein guter Therapeut oder eine Selbsthilfegruppe kann da im Zweifel Wunder wirken. Nur, und das ist das was anscheinend ebenfalls enttabuisiert wird, um sich selbst zu befreien scheint für einige Betroffene das Mittel der Wahl zu sein, dass man es dann irgendwann auch mal den Kindern sagt. Das ist wiederum ein Tabu, von dem ich der Meinung bin, dass es eines bleiben sollte.

Egal, wie alt man ist, man bleibt immer irgendwie Kind. Ich kenne Menschen, denen gesagt wurde, sie waren nicht gewollt. Man habe es sich das anders vorgestellt. Hätte man noch mal die Entscheidung, man würde sich gegen das Kind entscheiden. Es hat in diesen mittlerweile erwachsenen Menschen etwas zerbrochen. Sicher, sie hatten gemerkt, dass ihre Kindheit nicht so war, wie bei anderen, aber dieses Hören, dass sie ein „Fehler“ waren hat einfach irreparabel etwas kaputt gemacht. Dieses Mitteilen, dieses das eigene Gewissen erleichtern – das ist eine Art von Egoismus auf Kosten eines Menschen, der nun wirklich nichts für meine Entscheidung kann. Ich kann nicht nur nicht verstehen, warum man so etwas einem anderen Menschen antut, ich finde es auch verwerflich.

Zumindest in der westlichen Welt habe ich heute die freie Entscheidung, ob ich ein Kind bekomme oder nicht. Wenn ich die falsche Entscheidung getroffen habe, dann habe ich die Möglichkeit, mir Hilfe zu holen. Das ist gut und richtig und notwendig und verdient jede mögliche Unterstützung. Aber mit dieser mir eigenen, falschen Entscheidung denjenigen zu belasten, der am wenigsten dafür kann, damit man selbst damit besser leben kann, weil man sein Gewissen erleichtert und es mal „ausgesprochen“ hat – das halte ich für herzlos.

Und ja, ich gebe zu, dass ich da tatsächlich sage „Reiß Dich zusammen. Hol Dir Hilfe. Rede mit einem Therapeuten drüber. Mit anderen Betroffenen. Mit einer Freundin. Deinem Partner. Aber lass Dein Kind damit zufrieden.“

Und jetzt, weil es gerade so gut paßt – jeder nur einen Stein.

 

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8 Gedanken zu “#Regretting Motherhood

  1. Das Gefühl „hier ist kein Platz für dich“ geht nicht weg. Aber man kann aus „ihr braucht mich nicht, ich brauch euch nicht“ viel Impuls erzeugen.

  2. In jeder Hinsicht die richtigen Worte 🙂

    Mein Papa hat von Anbeginn bis zum Tod seiner Mutter permanent zuhören bekommen, du bist ein Fehler, wenn es die Pille schon gegeben hätte, hätte ich doch Abtreiben dürfen. 50 verdammte Jahre lang. War nicht schön für ihn. Es ist ein Elend und wie du schon schreibst, egal wie erfolgreich die Person später im Leben wird, der Schaden bleibt und macht immer wieder traurig.

  3. N.S. schreibt:

    Grundsätzlich würde ich dir recht geben. Ich weiß noch wie meine Mutter damals während eines Wutanfalls zu mir sagte: „Hätte ich doch nie Kinder bekommen!“. Das saß – und ist hängen geblieben. Allerdings (!) habe ich inzwischen einige Regretting Motherhood Texte gelesen und habe persönlich den Eindruck, dass es der Mehrzahl der Mütter gar nicht darum geht, den Kindern zu signalisieren, dass sie nicht gewollt sind. Das sind m.E. eher Ausnahmen. Du ziehst ja den Vergleich mit den Wochenbettdepressionen. Ich finde den Vergleich in dem Zusammenhang sehr gut. Auch das ein Thema, dass lange tabuisiert war und für Betroffene ist es ein Segen, dass da heute freier drüber gesprochen werden kann. Nun würde ich aber auch bei den Wochenbettdepressionen sagen, dass das nichts ist, was an die Kinder heran getragen werden sollte. Meine beste Freundin war betroffen und hatte in dieser Zeit die schlimmsten Gedankengänge à la „Was, wenn ich den Kinderwagen jetzt einfach den Hügel herunter stoßen würde…?“. Ob das etwas ist, dass sie ihrer heute 5jährigen erzählen sollte? Wohl eher nicht. Aber was für ein Glück, dass sie eine Hebamme hatte, die die Depression erkannt hat. Und Freundinnen, mit denen sie sich offen darüber austauschen konnte. Und so ist es mit Regretting Motherhood auch. Ich finde es gut, wenn Mutterschaft entmystifiziert wird und junge Frauen erfahren dürfen, dass es nicht für jede von uns die totale Erfüllung ist. Ich habe auch oft gehadert mit meiner Mutterschaft und deswegen extreme Gewissensbisse gehabt. Nicht zuletzt durch die Lektüre der vielen RM-Artikel, bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass ich nicht „wirklich“ betroffen bin und eher mit den Umständen meiner Mutterschaft hadere als mit der Tatsache, dass ich überhaupt Mutter geworden bin. Mir hat das sehr geholfen. Ich glaube auch nicht, dass meine Tochter meine Zweifel je zu spüren bekommen hat. Falls doch hätte sie das aber auch – oder sogar erst recht – wenn ich nicht den (virtuellen) Austausch mit anderen Müttern gesucht hätte und diese Zweifel in mich reingefressen hätte.

  4. Anke schreibt:

    Sehr kluge Worte. Mein Problem mit dieser Geschichte ist auch einfach das Wort „bereuen“. Im Prinzip heißt das doch nur, dass man annimmt, das eigene Leben wäre besser oder glücklicher, wenn man sich damals anders entschieden hätte. Ob das stimmt, wird man aber nie erfahren. Das Leben läuft vielleicht trotzdem nicht so, wie gewünscht.
    Jeder würde vielleicht einige Entscheidungen anders treffen, wenn es könnte. Kann aber keiner. Also wozu irgendetwas bereuen? Einfach das beste daraus machen. Ganz besonders, wenn da noch ein anderes Menschenleben dran hängt!

  5. Hm, hm, ich weiß es nicht. Ich finde, es ist ein Unterschied, ob man kraß sagt „ich wollte dieses Kind nicht“, oder ob man sagt „ich dachte, Mutterschaft würde mir leichter fallen, aber manchmal gelange ich an meine Grenzen und habe Angst, daß ich mir zuviel zugetraut habe“. Das eine ist eine emotionale Ablehnung, die, ob ausgesprochen oder nicht, zerstörerisch wirkt. Aber den Mythos, daß biologische und emotionale Mutterschaft zusammen entstehen, dann problemos und belastbar einfach vorhanden sind, den sollte man schon ankratzen dürfen. Und zwar in der offenen Aussprache zwischen Betroffenen, natürlich nicht in Richtung der Kinder.

    Ich habe das Glück gehabt, meine Kinder als Wunschkinder in die Welt zu setzen, aber habe mir von einer überforderten jüngeren Freundin anhören müssen, ich hätte zu einer „Verschwörung der Mütter“ gehört, die ihr vorgegaukelt hätten, es wäre einfach. Und für sie war es verdammt schwer.

    Manchmal kann es auch eine Phase der Überforderung sein. So lieben nicht alle Menschen Babies. Für viele Eltern fängt der Genuß an der Elternschaft erst im Kindergartenalter an. Vorher fühlen sie sich hilflos, überfordert.

    Außerdem möchte ich anmerken, daß sich das Problem für Väter so nicht stellt. Sie können sich viel leichter wegstehlen, faktisch oder emotional, und keiner ruft sie deswegen zur Ordnung. Bestimmt nicht mit der Häme, die die von Donat interviewten Frauen über sich ergehen lassen mußten.

    Früher hatten junge Menschen viel mehr Babies und Kleinkinder um sich herum und konnten sich weniger Illusionen machen über die Anstrengung der ersten Jahre. Und daß das Leben nie mehr wieder so wird wie zuvor. Wenn das erste Baby, das man kennenlernt, gleich das eigene ist, ist der Schock eben ein bißchen größer.

    Und dann: der soziale Druck, der auf jüdischen israelischen Frauen lastet, ist in Deutschland nicht einmal ansatzweise nachzuvollziehen. Ich habe viele deutsche Freundinnen, die sich für ein Leben ohne Kinder entschieden haben, und das war kein Problem. Ich habe EINE israelische Freundin ohne Kinder, die sich bei jeder Gelegenheit bemitleiden lassen muß.

    Wirklich, Orna Donaths Befunde lassen sich nicht einfach so übertragen. In der christlichen Gesellschaft gab es immer Ehe- und Kinderlose (ca. 30%), in der jüdischen gab es das überhaupt nicht. Ein kinderloser Lebensentwurf, der in unserer Gesellschaft immer da war (auch wenn als weniger „wertvoll“ konnotiert), der muß sich in der jüdischen Gesellschaft überhaupt erstmal rausbilden.

    Zuzugeben, daß Mutterschaft eben NICHT der einzig mögliche Gipfel weiblicher Selbstverwirklichung ist, ist darum dort ganz anders nötig als bei uns.

    Das ist meine persönliche Meinung zum Thema.

  6. Carom schreibt:

    Bei mir ist „Ich brauche niemanden“ draus geworden.

    Beziehungsfähigkeit habe ich irgendwann dann doch noch gelernt. Glaube ich.

  7. Regretting motherhood??? Nein.

    Die Entscheidung für zwei Kinder. Es war die richtige.

    Die Entscheidung zu Hause zu bleiben, für die Kinder da zu sein. Auch die war richtig.

    Irgendwann war dann der Moment die Familie zu verlassen. Traurig, aber auch hier die Entscheidung, zu der ich immer noch stehe.

    Nach 14 Jahren zurück auf den Arbeitsmarkt, und dann gesagt bekommen: „Sorry, keine Chance…“

    Regretting motherhood? No! But feeling tremendously furious!

    Man wächst bekanntlich mit seinen Aufgaben – das gilt für das Mutterwerden wie auch -sein und genau so für den Job.

    Ich wachse!

  8. Ich finde deine Antwort lila sehr passend, denn ich glaube auch dieses „sich-kein-Bild-machen-können“ trägt viel zum unglaublichen Überforderungsgefühl in den ersten Jahren bei.

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