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Die Sache mit dem Prinzen auf dem weissen Pferd

Es geht wieder ein Feminismusgespenst um, dieses Mal hat es einen Ursprung in England – jedenfalls soweit ich es nachvollziehen kann. Neue Studien haben angeblich herausgefunden, daß Mädchen von heute lieber reich heiraten wollen als sich selbst eine finanzielle Unabhängigkeit zu erarbeiten. Und die Anzahl der Frauen, die über ihrem Stand heiraten habe sich seit den 40er Jahren des letzten Jahrhundert verdoppelt.

Und der Aufschrei ist groß. Einmal natürlich von allen Feministinnen und Frauen, die genau das nicht wollen. Die Studie sei tendentiös und falsch und überhaupt eine reaktionäre Vorlage für alle, die Gleichstellungsprogramme kippen wollten. Und tatsächlich sind das die anderen, die brüllen, sie hätten es ja schon immer gewußt, die Frau gehört an den Herd, solle endlich Studien- und Arbeitsplätze für die materiellen Stützen der Gesellschaft aka Männer frei machen und alle sind glücklich.

Ich frage mich, was all diese Menschen erwartet haben. Über Jahrhunderte hatten war es für Frauen überlebenswichtig, zu heiraten damit sie nicht nur gesellschaftlich sondern auch ganz praktisch überlebten. Eine über eine sehr lange Zeit erlernte Sicht- und Verhaltensweise. Dann plötzlich gab es nicht nur eine gesetzliche Gleichberechtigung, die Gesellschaft ändert sich auch dahingehend, daß die gesellschaftlichen Schichten durchlässiger wurden. Was also ist der erste Instinkt von Eltern, die sich Sorgen machen, wie ihre Tochter nicht nur überlebt, sondern es „besser hat“? Sie sehen zu, daß das Kind einen ordentlichen Mann abbekommt. Töchter der Oberschicht wurden immer schon gerne strategisch günstig verheiratet. Neu ist nur, daß andere Schichten das nun adaptierten, als es denn dann möglich war – und wenn die Mädels aus bildungsfernen Elternhäusern kommen, ist das auch heute tatsächlich oft ihre einzige Möglichkeit.

Dann gab es die anderen, die fortschrittlichen, die wirklich wollten, daß ihre Töchter es alleine schaffen können, wenn sie es denn wollen. Aber bitte sollten sie nicht so blöde sein und einen Loser von Mann mit durchziehen müssen. Unter Stand geht also gar nicht.

Und gar nicht heiraten? Najaaaaaaa, das geht natürlich mittlerweile schon. Aber will man denn wirklich allein sein? Und denk doch nur an das Alter, Kind…da bist Du dann ganz allein!

Wundert es da einen, daß die Kids von heute den Weg des vermeintlich geringsten Widerstandes gehen? Und da hab ich noch nicht vom Phänomen „Gläserne Decke“ gesprochen oder dem immer noch real existierenden Machismo der Männerwelt, der die Sache auch nicht wirklich einfacher macht. Denn eine Frau, die mehr Kohle auf dem Konto hat als der potentielle Partner, macht 90% aller Männer erstmal eines – Angst. Da sie Angst aber – ebenfalls über Jahrhunderte erlernt – nicht zugeben können, gehen sie unter Vorspielung der verschiendensten Tatsachen stiften. Und zwar im übrigen auch dann noch, wenn sich das Mehrverdienen der Frau erst im späteren Berufsleben herausstellt.

Fakt ist doch, daß sich über Jahrhunderte erlernte Verhaltensweisen nicht innerhalb von ein paar Jahrzehnten komplett wandeln – da braucht es schon ein bißchen länger um eine dauerhafte Änderung der Tatsachen zu schaffen. Fakt ist aber auch, daß wir auf dem richtigen Weg sind und keineswegs im Rückschritt begriffen sind. Denn was sich geändert hat, ist daß Frauen jetzt die Wahl haben was sie denn tun wollen – und im Gegensatz zu vielen anderen bin ich nicht der Meinung, daß die finanzielle Unabhängigkeit immer die schwerere Alternative ist.

Eine nahezu hunderprozentige Möglichkeit einen aufdringlichen Kerl los zu werden, ist ihn mit großen Augen anzuhimmeln und zu sagen, das große Ziel für einen sei, Hausfrau und Mutter zu werden. So schnell hat man nicht mit den Wimpern geklimpert, wie der Typ weg ist.

Die Lösung? Zeit. Wir haben zwar noch nicht alle Möglichkeiten, aber wir sollten daran arbeiten, sie zu bekommen. Und in diesem Prozess wird jeder Einzelne von uns lernen, was für ihn persönlich ist und funktioniert. Sichtweisen ändern sich nicht innerhalb von ein oder zwei Generationen radikal, das ist ein schleichender Prozess. Und da sind wir, wie die Generation vor uns, für unsere Töchter mit verantwortlich, daß sie ihre Möglichkeiten wahrnehmen.

Wie meine Tochter zum Beispiel. Sie kommt gar nicht auf die Idee, sie wolle Arzthelferin werden oder Krankenschwester. Nein, das Kind will Menschen- oder Tierärtzin werden. Das ist der rechte Geist. Naja, manchmal will sie auch einfach Zirkusreiterin werden – aber das treiben wir ihr als verantwortungsvolle Eltern des neuen deutschen Bildungsbürgertums noch aus. Hoffentlich.

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