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Wie man Christen einen verdammt schlechten Ruf verpasst

Disclaimer: Alle Nicht-Christen jedweder Form bitte weiter gehen, es gibt hier nichts zu sehen und sie sind auch nicht gemeint. Generalangriffe auf Glauben jeglicher Art werde ich unter diesem Artikel nicht freischalten. Allerdings dürfen die besorgten Bürger, die noch nie einen Fuß in einen Gottesdienst gesetzt haben, jetzt aber plötzlich zur Verteidigung der christlichen Werte zusammen mit unseren braunen Mitbürgern sehr lautstark auf die Strasse gehen, gerne hier bleiben.

Sehr geehrter Herr Seehofer,

ich habe mich im Blog bei der Flüchtlingsproblematik zurückgehalten. Nicht, weil ich dazu keine Meinung habe – ich habe zu fast allem eine Meinung. Das Problem ist ein anderes. Ich habe keine Lösung. Ein kluger Mensch hat mal gesagt, wenn man so gar keine Lösung hat, dann einfach mal den Mund halten.

Leider halten sich sehr viele Menschen nicht an diesen Rat und sind sehr laut im Verkünden ihrer Meinungen.  Das finde ich schlimm. Richtiggehend unmenschlich und mich persönlich als Christin angreifend finde ich allerdings das bigotte Verhalten von einigen führenden Politikern, die sich immer wieder auf das „Christlich“ in ihrem Parteinamen berufen, wozu auch Sie gehören.

Wenn man schon die per Definition sehr fragliche Kombination „christlich“ und Partei sein eigen nennt und sie im Namen trägt, dann sollte man es auch durchziehen.  Ich kann mich nicht auf die Bibel berufen und lautstark im Grundsatzprogramm   Dinge verkünden wie „Dem christlichen Menschenbild entsprechen die Grundlagen unseres Handelns: Freiheit und Verantwortung, Solidarität und Chancengerechtigkeit, Subsidiarität als Verantwortungs- und Strukturprinzip.“. Oder  „Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes. Unser christliches Menschenbild und unsere Verfassung verpflichten Staat, Politik und Gesellschaft, menschliches Leben zu schützen und zu fördern. Wir wollen einen wirksamen Schutz des menschlichen Lebens von seinem Anfang bis zu seinem Ende.“.

Ich habe mir nur diese beiden Punkte rausgegriffen, weil es sonst den Rahmen sprengen würde, es finden sich in diesem Programm eine Menge Ansatzpunkte. Aber nehmen wir nur diese beiden her.

Sie schreiben, dass Sie den Schutz des menschlichen Lebens von Anfang bis Ende wollen. Ist zu diskutieren. Da steht allerdings nicht drin, dass Sie  nur deutsches oder aber bitte das Leben von Christen meinen. Da steht menschlich. So menschlich wie das Leben, das bitterlich geschützt zu werden hat vor Kriegen und Hungersnot. Das an unsere Grenzen klopft und das Sie und ihre Parteifreunde entweder erst gar nicht reinlassen oder  sofort wieder rausschmeißen wollen. Aus den Augen, aus dem Sinn, als seien diese Menschen es nicht wert, geschützt zu werden. Schutz des Lebens,  liebe Politiker,  bedeutet nicht nur das Leben, das in den ersten neun Monaten im Mutterleib heranwächst und/oder das in den letzten Zügen seines Lebens ist. Menschliches Leben bedeutet auch alles dazwischen. Sämtliches menschliches Leben.

In der Passage mit der Soldarität und der Chancengleichheit  wird es nicht besser  – denn auch da steht was von einem christlichen Menschenbild, das momentan vornehmlich von ihrer Partei mit Füßen getreten wird.

Lieber Herr Seehofer, tut mir leid, dass Sie als Parteivorsitzender und neben Herrn Söder als lautestes Organ jetzt mal herhalten müssen, aber: Wenn Sie an das Wort des christlichen Gottes glauben und es immer wieder einfordern, dann handeln Sie auch selbst danach. Handlungsmaxime dafür gibt es zuhauf:

Zum Beispiel:

„(…) Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 24, 40)

Den allseits bekannten Samariter will ich jetzt gerade nicht noch mal hervorkramen, der wurde in den letzten Wochen etwas überstrpaziert.  Viel interessanter sind Passagen wie

„15 Wenn aber ein Bruder oder eine Schwester dürftig gekleidet ist und der täglichen Nahrung entbehrt,16 aber jemand unter euch spricht zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch! ihr gebt ihnen aber nicht das für den Leib Notwendige, was nützt es?“ (Jakobus 2, 15+16)

Wo wir dabei sind, hätte ich hier eine interessante Liste von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen, die in der Bibel namentlich erwähnt sind und die Ihnen als Christ bekannt vorkommen sollten. Jesus, Jakob, Mose? Schon mal gehört?

Nun sage ich beileibe nicht, dass wir gesetzes- und wortgetreu nach der Bibel leben sollten. Aber ich habe auch nicht  den christliche Glauben in mein Parteiprogramm aufgenommen – Sie schon. Was bedeutet, Sie müssen auch dann zu Ihrem Wort stehen, wenn es gerade unangenehm ist und Wählerstimmen kosten könnte. Tun Sie aber nicht. Es sind genau solche, nennen wir es mal Diskrepanzen, die uns Christen einen so schlechten Namen geben. Danke dafür.

Warum ich jetzt drauf komme, jetzt erst schreibe und nicht schon Wochen vorher? Weil ich über einen Blogeintrag von einer Frau  gestolpert bin, die genau das tut, was Sie und ihre Partei verteufeln. Sie hilft Flüchtlingen ohne zu fragen – einfach, weil es Menschen sind, die Hilfe brauchen. Und doch sagen Sie beide, Sie tun das jeweils Richtige mit christlichem Hintergrund. Einer von Ihnen liegt falsch. Ich neige dazu zu glauben, dass Sie das sind, Herr Seehofer.

Wissen Sie überhaupt noch, dass in Ihrem Programm steht, dass für Sie jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist. Etwas, was Sie als christlicher Politiker nun einfach wegwerfen und dem sie Türe weisen? Ich hab genausowenig den direkten Draht zu Gott wie irgendjemand anderes, aber ich habe im Gefühl, dass er das so nicht gemeint haben kann.

Wie ich sagte, ich habe auch keine einfachen Universallösungen. Ich weiß genausowenig wie irgendein anderer Mensch auf dieser Welt, wie wir den Wahnsinn, der an allen Stellen gerade ausbricht, stoppen und all die Menschen retten können. Aber zwei Dinge weiß ich sehr wohl: Zum einen, dass Ihre machtpolitischen Spielchen eher das Gegenteil von Frieden, und sei er auch „nur“ im eigenen Land, bewirken. Zweitens bin ich mir bei einem sehr sicher: Sie und Ihre Partei handeln mit Sicherheit nicht christlich. Es wird Zeit, dass Sie Ihren Parteinamen ändern.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit und ein wenig Muße, um über Gottes Wort nachdenken zu können.

 

 

 

 

 

 

 

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5 Gedanken zu “Wie man Christen einen verdammt schlechten Ruf verpasst

  1. ReaLCavE schreibt:

    Wahre Worte, Frau Possum, wahre Worte…
    Du sprichst aus, was ich mir hier in Bayern beim tagtäglichen Fremdschämen leider nur denke.
    Allerdings gehört das eigentlich als offener Brief in die Süddeutsche und nicht nur gut versteckt auf dein Blog…

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